Dienstag, 8. Juli 2008

Das tapfere Lehrerlein - ein fiktives Grusel-Musical


Ein fiktives Grusel-Musical von Emmanuel Goldstein
 
Liebe Kinder. Es war einmal eine Stadt am Rhein, genau dort, wo er einen Bogen macht und nach Norden fliesst. Diese Stadt wurde mehrheitlich regiert von der Schildbürger-Partei. Die Schildbürger waren nicht Bürgerliche, sondern Linke, die in ihrem Parteiprogramm die „Überwindung des Kapitalismus“ und die „Diktatur des Proletariats“ proklamierten. Die Mitglieder der Schildbürger-Partei, versuchten mit allen Mitteln den Staat zu unterhöhlen. Da sie im Parlament und in der Regierung die Mehrheit hatten, konnten sie ihre Macht im Staat subtil ausbauen. Wichtige Stellen in der Verwaltung wurden nach und nach durch Schildbürger besetzt. Besonders im Erziehungsdepartement hatte es viele Schildbürger. Der Ressortleiter Schulen, wie auch der Personalchef Schulen waren Schildbürger. Ebenso der Schulinspektionspräsident, der Freistellungen und Entlassungen zu bewilligen hatte. Der Ressortleiter Schulen war für die Marschrichtung der Schulen an der Rheinstadt verantwortlich, der Personalchef Schulen für die Entlassung der Lehrer, die eine andere politische Meinung als die Schildbürger hatten. Interessanterweise wurde das Erziehungsdepartement nicht von einem Schildbürger geführt, sondern von einem Liberalen. Dieser war vor allem als schöner Politiker bekannt und wurde deshalb vor allem von den weiblichen Schildbürgerinnen zum Regierungsrat gewählt. Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als die politischen Interessen der Frauen und der Schildbürger als Regierungsrat umzusetzen.
(Licht ein)
Vorsteher:        Mit der neuen Schulreform
Wird alles besser und zwar enorm
Ich versteh’ euch Lehrer gut
Was ihr braucht ist frischen Mut
Ich bin für euch alle da
Vertraut mir und sagt einfach ja
Ich bin ehrlich, schaut mich an
Ich tu’ alles was ich kann  
 
„Help Our Teachers“, das ist mein Motto
Das ist wie ne sechs im Lotto
Alle, die mich wiederwählen
Dürfen auf mein Motto zählen
 
Für Kritik bin ich empfänglich
Ich bin nett und sehr umgänglich
Glaubwürdigkeit, das strahl’ ich aus
Drum ernte ich gar viel Applaus
Packt die Chance, seid nicht dumm
Das Glück kommt mit Veränderung
Der Wandel gibt euch neuen Mut
Glaubt mir, es wird alles gut.
 
(Licht aus)
 
Der Vorsteher des Erziehungsdepartements war sehr ehrgeizig. Er wollte das neue Projekt „Harmos“, was so viel wie Schulharmonisierung bedeutete, möglichst rasch durchboxen. Das Kunstwort „Harmos“ sollte beim Volk positive Emotionen erzeugen. Da seit der letzten Schulreform mehr als ein Drittel der Lehrkräfte am Rheinknie Burnout-gefährdet war, beschloss der Vorsteher des Erziehungsdepartements eine Beratungsstelle für Lehrkräfte einzurichten. Dort konnten die arg strapazierten Lehrerinnen und Lehrer ihre Frustrationen loswerden. Die frustrierten Lehrkräfte wurden dann von zahlreichen Beratern und Psychologen behandelt: Lehrkräften, die bisher ihre Klassen in Eigenverantwortung nach Lehrplan geführt hatten, wurde nahegelegt, sich für die neuen Ideologien zu begeistern und ihre Vorgesetzten zu lieben. Die neue „politisch korrekte Lehrkraft“ sollte ab sofort immer die gleiche Meinung haben, wie die Vorgesetzten und auch das Gedankengut der Schildbürgerpartei sollte möglichst schnell allen in Fleisch und Blut übergehen.
Das tapfere Lehrerlein war von den dauernden Schulreformen wenig begeistert. Es hatte seit über 20 Jahren sämtliche pädagogischen Erneuerungen mitgemacht und sämtliche polemische Attacken übergriffiger Schildbürger-Eltern schadlos überstanden. Es war in der Stadt am Rheinknie bekannt als Lehrkraft, welche sich engagiert für Gerechtigkeit und Fairness einsetzte. Da es ziemlich staatskritisch war und sich schlecht konditionieren liess, hatte es mit seinen Vorgesetzten immer wieder Probleme. Es ging seinem Beruf aber immer mit grosser Freude nach und hatte immer ein Lied auf den Lippen.
 
(Licht ein)
 
Lehrerlein:      Die Messlatte senken
An die Gesundheit denken
Autonomer handeln,
nicht ferngesteuert wandeln.
Das Rad nicht neu erfinden
Sich selber nicht schinden
Vom Elternabend abseh’n
Mit der Klasse in den Wald gehn  
 
 
                       Reg dich, reg dich,
                       reg dich nicht auf
                       Beweg dich, sonst legt’s dich
                       und du gehst dabei drauf
 
Nicht endlos diskutieren,
mutig ausprobieren!
Selber an sich glauben,
sich genügend Schlaf erlauben!
Auf Sitzungen verzichten,
dafür spannend unterrichten.
Ein 42-Stünder
ist immer gesünder.
 
Die Phantasie benützen
und nicht alles unterstützen!
Das, was kommt von oben
nicht kritiklos loben.
Selber etwas wollen
Forderungen stellen!
Statt abschalten:
Zusammenhalten!
 
(Licht aus)
 
Natürlich eckte das Lehrerlein mit seinem eigenständigen Auftreten bei seinen Vorgesetzten immer wieder an. Seine Chefs waren in Wirklichkeit „Vorgesetztinnen“ die dank der sog. Quotenregelung in der Schildbürger-Verwaltung zunehmend an Macht gewannen. Das Lehrerlein wurde den Verdacht nicht los, dass die Schule, an der es unterrichtete, immer weniger mit dem sog. „gesunden Menschenverstand“ geleitet wurde. Natürlich standen die diversen Schulleiterinnen und Rektorinnen der Schildbürger-Partei sehr nahe und waren sogar Partei-Mitglied. Mit dem Versprechen „Frauen an die Macht“ konnte die Schildbürger-Partei den Grossteil der weiblichen Stimmen hinter sich scharren. Das tapfere Lehrerlein, hatte es unter der Herrschaft bzw. Damenschaft der sog. Frauenpower-Emanzen nicht gerade einfach. Dauernd wurde es von den Damen kritisiert und diffamiert, ohne sich dabei aber unterkriegen zu lassen. Da das Lehrerlein weder über politische, noch institutionelle Macht verfügte, blieb ihm nichts anderes übrig, als bei seinen Schüleraufführungen etwas Dampf abzulassen. Natürlich eckte es damit vor allem bei den Schildbürgerinnen an. In einem selbstgeschriebenen Märchen-Musicals liess das tapfere Lehrerlein immer wieder Hexen auftreten, die mit ihren Zaubertränkchen die Hirne der ahnungslosen Menschen aufweichten.
 
(Licht ein)
 
Hexe 1:            Ich bin die böse Hexe
garstig und gemein.
Alles was ich will,
ist böse zu sein.
Mich hassen alle Menschen,
weil ich hässlich bin.
Drum habe ich nur Böses
in meinem Sinn.
 
Gifte kann ich brauen
in meinem Topf.
Ich brauch' dazu Kröten
und einen Totenkopf.
Dazu noch eine Spinne,
dann ist es vollbracht.
Dann habe ich die Droge
und die ganze Macht!
 
(Licht aus)
 
In einem anderen Musical agierte eine böse Hexe als Managerin eines Märchen-Vergnügungsparks. Die Hexe hatte viele Ähnlichkeiten mit der Vorgesetzten des tapferen Lehrerleins.
 
(Licht ein)
 
Hexe 2:            Ich kann reiten auf dem Besen.
Und die Gedanken anderer lesen.
Ich seh' die Zukunft eins, zwei, drei.
Mit meinem blauen Zauber-Ei.
Ich kann Leute hypnotisieren.
Und Zaubermittelchen kreieren.
Ich kann alles ei, ei, ei.
Mit meinem blauen Zauber- Ei.
 
Mit dem blauen Zauber-Ei
gelingt mir jede Zauberei.
Mit dem blauen Zauber-Ei
Gelingt mir jede Zauberei.
 
Verwandeln kann ich die Gestalt.
Lang wird kurz, jung wird alt.
Ich schaff' jede Sauerei.
Mit dem blauen Zauber-Ei.
Zum Zaubern braucht man viel Geschick.
Und den bösen Zauberblick.
Ich lass' verschwinden allerlei.
Mit meinem blauen Zauber-Ei.
 
(Licht aus)
 
Das blaue Zauber-Ei, das im wirklichen Leben ein rotes Zauber-Ei war, war die Hauptwaffe der Schildbürger. Es war ein Überraschungs-Ei, mit dem sie ihre Macht sicherten. Wie das Ganze funktionierte, merkte man erst, wenn es schon zu spät war. Das Zauber-Ei wurde als Unterstützungs-Paket verkauft. Zahlreiche Zauberer durften ab sofort den Schulkindern und Lehrkräften sog. „Unterstützung“ anbieten. Die neuen Zauberer nannten sich Psychologen, Heilpädagogen, Supervisoren, Mediatoren, AHP-Lehrkräfte oder ISF-Lehrkräfte. Immer wurde nur zum „Wohl der Kinder“ gezaubert. Auf das Wohl der einzelnen Lehrkräfte wurde aber weniger geachtet. Nicht linientreue Lehrkräfte wurden in sog. „Weiterbildungskursen“ auf Kurs gebracht. Dort wurde ihnen beigebracht, dass es in Wirklichkeit keine Wahrheit gäbe, sondern nur unterschiedliche Wahrnehmungen und dass es nicht darauf ankomme, was man sage, sondern nur wie es beim andern ankomme. Im Klartext hiess das: Eine Lehrkraft, die alles hinnahm und nie Kritik äusserte, war eine gute Lehrkraft. Damit die einzelnen Lehrkräfte also nicht in „Teufels Küche“ kamen, mussten sie sich bei ihren Vorgesetzten möglichst „diplomatisch“ ausdrücken. Wer keine Probleme bekommen wollte, musste also notgedrungen seinen gesunden Menschenverstand ausschalten. Die meisten Kolleginnen und Kollegen des tapferen Lehrerleins hatten ihre Gehirnwäsche erfolgreich absolviert. Deshalb wollten sie das tapfere Lehrerlein immer weniger verstehen und begannen es nach und nach auszugrenzen. Ob im Team, oder an den Lehrkräfteversammlungen, immer liess man das tapfere Lehrerlein spüren, dass seine Meinung nicht gefragt war. Seine Vorstösse und Anregungen wurden regelmässig ignoriert. Immer mehr fühlte es sich als Aussenseiter. Bei den Eltern und den Kindern hatte es mit seinen Musicals allerdings grossen Erfolg. Seine gesellschaftskritischen Theateraufführungen waren spannend für Jung uns Alt. Es ging meistens um den Kampf zwischen Gut und Böse. Wer genau hinsah, konnte erkennen, dass das tapfere Lehrerlein in seinen Musicals häufig selber zu Wort meldete, allerdings nicht als tapferes Lehrerlein, sondern als unbedeutendes Zwerglein, das gegen diverse Ungeheuer zu kämpfen hatte. Es war sich bewusst, dass es im grossen Schachspiel des Lebens nur ein kleines Bäuerchen war. Manchmal konnte ein kleines Bäuerchen aber auch spielentscheidend werden. Das tapfere Lehrerlein fühlte sich oft traurig und allein. Es fühlte sich von seinen Kolleginnen und Kollegen oft missverstanden und sogar ausgegrenzt, wie der Nasenzwerg, der in einem seiner Musicals von seinen Kollegen gemobbt wurde.
 
(Licht ein)
 
Zwerg:             Ich bin der Nasenzwerg, bin nicht beliebt.
Den andern Zwergen stinkt's, dass es mich gibt.
Auch ich brauch Zärtlichkeit
und auch Geborgenheit.
Ein bisschen Liebe braucht doch jeder heut'.
Wo ist das Mädchen, das zu mir gehört
und das sich nicht an meiner Nase stört?
Das mich zum Lachen bringt
und für mich Lieder singt.
Und es mit mir niemals bereut.
 
Wann treff' ich endlich sie, die, die mich liebt.
Das Mädchen, das mir wirklich alles gibt.
Mir tut mein Herz so weh,
wenn ich Verliebte seh.
Für mich da gibt es keinen Sonnenschein.
Wie lang' wart' ich jetzt schon auf den Moment.
Wo mein Warten endlich hat ein End'.
Mein Herz 'nen Salto macht,
weil mich mein Schatz anlacht.
Das Leben könnt so super sein.
 
(Licht aus)
 
Immer wenn sich das tapfere Lehrerlein traurig und einsam fühlte, kamen ihm die Musen zu Hilfe. Die Musen waren griechische Göttinnen, die für die Kunst zuständig waren. Wenn man von ihnen geküsst wurde, konnte man plötzlich Melodien schreiben, Gedichte verfassen, Texte schreiben, Bilder malen, Tänze choreographieren und gutes Essen kochen. Manchmal trösteten die Musen das tapfere Lehrerlein.
 
(Licht ein)
 
Musen:            Komm, sei nicht traurig,
es gibt wirklich keinen Grund.
Lass deinen Kopf nicht hängen;
das Leben ist so bunt.
 
Vertrau auf dich,
belüg' dich nicht!
Sei zu den andern fair.
Versteck dich nicht,
komm ans Licht.
Dann hast du's nicht so schwer.
 
Wart nicht auf dein Glück,
pack es selber an.
Du kannst alles erreichen,
doch denke immer dran.
 
                                   Vertrau auf dich ...
 
Komm versuch zu lachen,
nach dem Regen kommt der Sonnenschein.
Spring über deinen Schatten.
Auch du kannst wieder glücklich sein.
 
(Licht aus)
 
Zur Trickkiste der Schildbürger gehörte der manipulative Umgang mit der Sprache. Bewusst wurde mittels Wortsuggestionen die Gehirne der Zuhörer subtil aufgeweicht. Totalitär verordnete Veränderungen wurde als Chancen verkauft. Alles was den Schildbürgern nützte, wurde ernst genommen, wer die Politik der Schildbürger kritisierte, wurde systematisch ausgegrenzt. Ausdrücke wie Toleranz, Wandel, Vertrauen, Solidarität, Chancengleichheit, Glaubwürdigkeit, Nachhaltigkeit, Sozialkompetenz und Sicherheit wurden gebetsmühlenartig in die Köpfe der Bevölkerung gehämmert. Jeder Zuhörer konnte in diese politischen Worthülsen hineininterpretieren, was er wollte. Im Bereich der Schulen lancierten die Schildbürger unfertige Experimente, die ziemlich gewagt waren. Die bisherige Schullandschaft sollte „politisch korrekt“ systematisch umgepflügt werden. Die Schülerinnen und Schüler durften ab sofort ihre Probleme nicht mehr den Klassenlehrern anvertrauen, sondern nur noch den sog. Mediatoren und Heilpädagogen. Neu geschaffene sog. Förderzentren schrieben den Regellehrern vor, wie sie ihre Arbeit zu verrichten hatten. Mit der Integration der Kleinklassenkinder in die Regelklassen, konnten noch mehr ISF-Lehrer, Förderlehrkräfte und Heilpädagogen in die Regelklassen geschleust werden. Mit diesen Massnahmen konnten die Regellehrkräfte heimlich flächendeckend kontrolliert werden. Lehrkräfte, die den Kontrolleuren auffielen, wurden bei der Schulhausleitung denunziert und mussten sog. „Unterstützung“ von sog. „Supervisoren“ über sich ergehen lassen.
Auch das tapfere Lehrerlein musste immer wieder zum Supervisor. Der Ober-Supervisor war gleichzeitig der Chef des Schulpsychologischen Dienstes. Dieser gab vor, dem tapferen Lehrerlein helfen zu wollen.
 
(Licht ein)
 
Psychologe:    Ich bin Psychologe
                      Nichts bringt mich aus der Ruh’
                      Sie sind Pädagoge
                      Ich hör’ Ihnen zu
                      Sie dürfen mir vertrauen
                      Ich habe Schweigepflicht
                      Wir werden dann schauen
                      Ich schade Ihnen nicht
 
                      Ich habe die Lösung für Sie
                      Ich empfehle Ihnen eine Therapie
                      Dann werden auch Sie wieder gesund
                      Dann läuft’s auch für Sie rasch wieder rund
 
                      Haben wir ihn gefunden,
                      ihren „Blinden Fleck“
                      Werden sie schnell gesunden
                      Und ihre Sorgen sind alle weg

                      Gönnen Sie sich statt Ferien
                      Eine Therapie
                      Es wird sich für Sie lohnen
                      Bereuen werde Sie das nie
 
                      Ich habe die Lösung für Sie
                      Sie brauchen ganz schnell ne Therapie
                      Dann werden auch Sie ganz schnell gesund.
                      Dann läufts auch für Sie schnell wieder rund
 
(Licht aus)
 
Der Leiter des Schulpsychologischen Dienstes hatte schnell Vertrauen zum Lehrerlein aufgebaut. In seiner ruhigen, väterlichen Art hörte der Leiter des Schulpsychologischen Dienstes dem tapferen Lehrerlein stundenlang zu. Vertrauensvoll erzählte das ahnungslose Lehrerlein dem Psychologen, dass es sich von seiner Chefin gemobbt fühlte. Auf diesen Moment schien der der Psychologe gewartet zu haben. Kurzerhand verdrehte er die Frustrationen des tapferen Lehrerleins zu angeblichen Aggressionen und teilte dem Personalchef Schulen mit, dass das Lehrerlein aus seiner Sicht an einer akuter Selbst- und Fremdgefährdung leide. Damit machte er aus dem harmlosen Lehrerlein im Handumdrehen ein gefährliches Ungeheuer. Natürlich hatte das Lehrerlein zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, was hinter seinem Rücken alles ablief.
Die neue Chefin des Lehrerleins wurde vom Psychologen über die angebliche Gefährlichkeit des Lehrerleins informiert. Auf Grund der völlig frei erfundenen Diagnose verlangte die Rektorin vom Lehrerlein ein psychiatrisches Gutachten. Die Kompetenz dazu hatte sie zwar nicht, aber sie wusste, dass sie mit der Unterstützung ihrer Vorgesetzten auch berechtigt war, unrechtmässig zu handeln. Ihre Absicht war es, das Lehrerlein über ein psychiatrisches Gutachten arbeitsunfähig zu schreiben.
 
(Licht ein)
 
Rektorin:   Wer nicht pariert
                 Wird aussortiert
                 Und ganz subtil
                 ausrangiert
 

                 Wer nicht pariert
                 Wird ignoriert
                 Und ganz subtil
                 isoliert
                 Als Chefin kann ich:
 
provozieren, ignorieren,
manipulieren, intrigieren
isolieren, psychiatrisieren,
kriminalisieren, eliminieren
 
                Wer nicht pariert
                Wird psychiatrisiert
                Und ganz subtil
                stigmatisiert
 
                Wer nicht pariert
                Wird kriminalisiert
                Und ganz subtil
                eliminiert
 

(Licht aus)
 
Das Lehrerlein war nach dem Gespräch mit seiner Rektorin und dem Personalchef total verwirrt. Es spürte, dass irgend etwas nicht stimmte. Offensichtlich hatte man mit ihm etwas vor, aber was? Das Lehrerlein fühlte sich immer mehr wie in einem falschen Film. Nachts konnte es kaum mehr einschlafen. Schliesslich hatte es einen schlimmen Albtraum.
 
(Licht ein)
 
Amtsarzt: Guten Morgen, tapferes Lehrerlein!
Lehrerlein: Guten Morgen, Herr Amtsarzt!
Amtsarzt: Du weisst warum du von mir eine Einladung bekommen hast?
Lehrerlein: Meine Chefin hat mich freigestellt, mit dem Argument, ich könne meine Angelegenheiten nicht mehr selber regeln, weil ich angeblich eine psychische Krankheit hätte.
Amtsarzt: Ja, genau. Wie geht es dir denn heute?
Lehrerlein: Eigentlich geht es mir gut, aber ich werde von meiner Chefin aus dem Schuldienst gemobbt.
Amtsarzt: Aha, seit wann fühlst du dich denn verfolgt und als Opfer einer Verschwörung?
Lehrerlein: Meine Chefin macht alles, um mich aus dem Schuldienst zu drängen.
Amtsarzt: Ich darf dich beruhigen, deine Chefin will dir nur helfen.
Lehrerlein: Dann soll sie ihre Freistellung wieder aufheben und mich wieder unterrichten lassen.
Amtsarzt: Siehst du, das können wir eben nicht. Wir müssen zuerst abklären, ob du überhaupt noch unterrichten kannst.
Lehrerlein: Aber ich bin völlig gesund!
Amtsarzt: Das sagst du. Ich kann die Verantwortung dafür nicht übernehmen. Ich muss dich in eine Klinik einweisen.
Lehrerlein: Ich will aber nicht in eine Klinik, ich möchte wieder Schule geben.
Amtsarzt: Nimm die Klinikeinweisung als Chance. Man wird dir dort helfen.
Lehrerlein: Aber ich bin nicht krank!
Amtsarzt: Woher willst du das wissen? Gerade bei einer paranoiden Schizophrenie haben die Patienten keine Einsicht in ihre Krankheit.
Lehrerlein: Was ist das, eine paranoide Schizophrenie?
Amtsarzt: Das ist eine psychische Krankheit, bei der sich der Patient verfolgt und gemobbt fühlt. Er hat das Gefühl, alle seien gegen ihn. Er sieht aber nicht die ganze Realität.
Lehrerlein: Ja, aber das ist so. Ich werde tatsächlich gemobbt.
Amtsarzt: Siehst du! In der Klinik kannst du in aller Ruhe mit einem Psychiater deine Ängste besprechen. Nimm dir eine Auszeit. Lass dir helfen.
Lehrerlein: Aber ich bin gesund, zum Donnerwetter noch mal. Ich lasse mich von ihnen doch nicht einfach so behandeln.
Amtsarzt: Beruhige dich. Zwei freundliche Männer werden dich begleiten. Sei jetzt ganz ruhig und gelassen. Die beiden Männer werden dir helfen.
(Zwei kräftige Männer kommen in den Raum und packen das Lehrerlein am Arm. Das Lehrerlein wehrt sich)
Lehrerlein: He, was soll das? Lasst mich in Ruhe! Ihr Schweine lasst mich in Ruhe. Das werdet ihr mir büssen! Hilfe!
(Ein dritter Pfleger erscheint. Die beiden andern halten das Lehrerlein fest und der dritte versucht dem Lehrerlein eine Spritze zu verpassen.)
3. Pfleger: Solche Typen wie dich darf man nicht auf die Menschheit loslassen. Du bist ja eine Gefahr für dich selber und die Umwelt.
Lehrerlein: Ihr seid eine Gefahr für mich, ihr verdammten Dreckschweine, das werde ich euch noch heimzahlen, aaaah ....
(Die Spritze beginnt zu wirken, dass Lehrerlein verliert das Bewusstsein, die Pfleger transportieren den leblosen Körper ab.)
Amtsarzt: So, das hätten wir. Jetzt noch die Formalitäten. Also, ... Diagnose: paranoide Schizophrenie, hohes Aggressionspotential gegen sich selber und gegen seine Umwelt, spricht massive Drohungen aus, zeigt keine Einsicht in seine Krankheit, zeigt sich unkooperativ und muss daher zwangsmediziert werden.
 
Amtsarzt:      Wer nicht kooperiert
                      Spürt schnell die Staatsgewalt
                      Es wird interveniert
                      Ohne Vorbehalt
                     Wer nicht kooperiert
                     Den zwingen wir zum Glück
                     Zwangspsychiatrisiert
                     kommt man so schnell nicht zurück
 
                     Es lebe die Psychiatrie
                     So schön wie heute war’s noch nie
                     Wer sich dagegen wehrt
                     Wird einfach weggesperrt.
 
                     Wer nicht kooperiert
                     dem helfen wir mit Zwang
                     Mit Psychopharmaka
                     nimmt alles dann seinen Gang
                     Wer nicht kooperiert
                     dem ist bald nicht mehr wohl.
                    Der erhält ungeniert
                    eine Spritze mit Haldol!
 
                    Es lebe die Psychiatrie
                    So schön wie heute war’s noch nie
                    Wer sich dagegen wehrt
                    Wird einfach weggesperrt
 
(Licht aus)
 
Der Albtraum des tapferen Lehrerleins wollte nicht mehr aufhören. Das Medikament, dass der Pfleger gespritzt hatte, löste bei ihm Halluzinationen aus. Seltsame Dinge geschahen. Die Wände in der Isolierzelle, in die sie ihn gebracht hatten, begannen sich zu bewegen. Seltsame Gestalten streckten ihre Köpfe durch die Zellenwände. Das tapfere Lehrerlein bekam es mit der Angst zu tun. Hatten die anderen also doch recht? War es psychisch krank? Die Halluzinationen wurden immer schlimmer.
 
(Licht ein)
 
(Ein Skelett beginnt in der Zelle zu tanzen. Schallend lacht es das tapfere Lehrerlein aus. Das tapfere Lehrerlein dreht fast durch vor Angst.)
 
(Licht aus)
 
Der Traum des Lehrerleins wurde immer schlimmer. Es wurde zu einem Mann in einem weissen Kittel gebracht. Er war Psychiater und der Leiter der Klinik.
 
(Licht ein)
 
Psychiater: Guten Morgen, geht es dir schon etwas besser?
Lehrerlein: Wo bin ich eigentlich hier?
Psychiater: Du bist in der psychiatrischen Klinik zur Beobachtung.
Lehrerlein: Ich kann mich an nichts erinnern.
Psychiater: Das ist typisch für deine Krankheit.
Lehrerlein: Welche Krankheit habe ich denn?
Psychiater: Du bist eingeliefert worden mit dem Verdacht auf eine paranoide Schizophrenie. Hörst du oft Stimmen?
Lehrerlein: Ich habe Stimmen gehört und seltsame Gestalten gesehen, aber ich weiss nicht recht, ob ich das geträumt habe, oder ob das Realität war.
Psychiater: Aha. So. So.
Lehrerlein: Ein Skelett hat getanzt.
Psychiater: So, so, ein Skelett.
Lehrerlein: Ich möchte jetzt wieder nach Hause.
Psychiater: Das geht leider nicht. Wir können im Moment noch nicht die Verantwortung dafür übernehmen, dich zu entlassen. Natürlich darfst du bei der Psychiatrie-Rekurskommission deine Entlassung beantragen, aber das geht schon noch ein paar Wochen.
Lehrerlein: Was ein paar Wochen? Ich muss wieder arbeiten.
Psychiater: Deine Chefin weiss Bescheid. Du bist bis auf weiteres krank geschrieben. Es ist alles in Ordnung. Nimm deinen Aufenthalt in der Klinik als Chance. Wenn du einsichtig bist und deine Krankheit akzeptierst, wird alles besser. Vertraue  uns. Wir wollen dir nur helfen.
 
Psychiater:    Vielleicht haben Sie ne Neurose
                     Oder gar eine Psychose
                     Vielleicht ist es Schizophrenie
                     So was merkt man selber nie
                     Ich mache mir Sorgen um Sie
                     Sie brauchen eine Therapie
                     Sie funktionieren nicht mehr normal
             
                     Für die Umwelt werden sie zur Qual
                     Sie wirken auf mich ziemlich wirr
                     Ich würde sogar sagen etwas irr
                     Vielleicht haben sie Epilepsie
                     So was merkt man selber nie

                     Vielleicht sind sie manisch-depressiv
                     Oder gar übermässig aggressiv
                     Sie brauchen eine Therapie
                     So was merkt man selber nie.

(Licht aus)
 
Das Lehrerlein träumte in seinem schlimmen Albtraum, das es in eine schlimme Depression gefallen sei. Es wurde von zwei Pflegern abgeholt und wieder in die Zelle gebracht. Willenlos liess es sich erneut eine Spritze verpassen. Die Halluzinationen wurden jetzt noch schlimmer als vorher. Grässliche Stimmen begannen auf das Lehrerlein einzureden.
 
(Licht ein)
 
Stimme 1: Hallo Lehrerlein, merkst du jetzt endlich, dass du psychisch krank bist?
Stimme 2: Du bist eine Gefahr für dich selber!
Stimme 3: Und eine Gefahr für deine Umwelt!
Stimme 4: Du hast den Bezug zur Realität verloren!
Stimme 5: Du wirst langsam verrückt!
Stimme 6: Niemand kann für dich noch die Verantwortung übernehmen.
Stimme 7: Du bleibst für immer hier!
Lehrerlein: Neeeeeeein! Hilfe!

(Licht aus)
 
Der Albtraum wollte nicht aufhören. Die beiden Pfleger brachten das tapfere Lehrerlein wieder zum Leiter der Klinik.
 
(Licht ein)
 
Psychiater: Ah, das tapfere Lehrerlein, wie geht es ihm denn heute?
Lehrerlein: Ich, ..., eh, ich, ... , mir geht es gar nicht gut.
Psychiater: Du bist ganz bleich. Ich mache mir grosse Sorgen um dich.
Lehrerlein: Diese Spritzen ..., ... ich habe das Gefühl diese Spritzen machen mich verrückt!
Psychiater: Siehst du, das ist ein typisches Krankheitssymptom. Du fühlst dich sogar hier in der Klinik, wo du geschützt bist, verfolgt. Dein Verfolgungswahn wird immer stärker. Wir müssen deine Dosis mit Haldol unbedingt erhöhen.
Lehrerlein: Nein, ... bitte nicht. Ich sehe es ja ein, dass ich krank bin, aber bitte keine Spritzen mehr.
Psychiater: Wir könnten natürlich die Therapie ändern ...
Lehrerlein: Ja, bitte eine andere Therapie ... ich mache alles um wieder gesund zu werden!
Psychiater: Es freut mich sehr, dass du endlich kooperierst. Hast du schon einmal etwas von der Elektrokrampf-Therapie gehört?
Lehrerlein: Keine Ahnung! Was ist das?
Psychiater: Du wärst also einverstanden mit der bewährten Elektrokrampf-Therapie?
Lehrerlein: Sie können alles mit mir machen, nur keine Spritzen mehr.
Psychiater: Eine letzte Spritze muss noch sein, aber wir spritzen dir kein Psychopharmaka mehr, sondern nur ein Beruhigungsmittel. Die Krankenpflegerin wird gleich kommen.
(Der Psychiater verschwindet und eine hübsche Krankenpflegerin betritt den Raum.)
Pflegerin: Ah, da ist ja das tapfere Lehrerlein. Jetzt geht es ihm bald besser.
Lehrerlein: Sie sind aber eine hübsche Pflegerin ...
Pflegerin: Wir tun doch alles, damit du dich bei uns wohl fühlst. Achtung, jetzt gibt’s einen kleinen Stich!
Lehrerlein: Autsch!
(Das Lehrerlein verdreht die Augen und wird müde. Die beiden starken Pfleger betreten den Raum. Sie packen das Lehrerlein an beiden Armen. Das Lehrerlein lässt sich hilflos auf einen Stuhl führen, wo es mit Lederriemen angeschnallt wird. Da das Lehrerlein kaum noch mitbekommt, was mit ihm geschieht, leistet es keinen Widerstand. Der Psychiater erscheint wieder.)
Pfleger 1: Wir wären dann soweit!
Psychiater: Wunderbar. Jetzt noch richtig verdrahten und ab geht die Post!
(Die beiden Pfleger schliessen das tapfere Lehrerlein an verschiedene Drähte an. Sie ziehen dem Lehrerlein eine Art Helm über und schieben ihm einen Gummischutz in den Mund, damit es sich nicht auf die Zunge beisst.)
Psychiater: Wir beginnen mit 220 Volt.
Pfleger 2: Ok! Bereit! Achtung!
(Der Pfleger drückt einen Knopf, es gibt einen Knall und der Körper des tapferen Lehrerleins bäumt sich auf.)
Psychiater: Brav, tapferes Lehrerlein. Das nenne ich gute Kooperation. Jetzt versuchen wir es mal mit 440 Volt.
(Der Pfleger verstellt an der Maschine einen Regler, drückt wieder auf den Knopf und der Körper des tapferen Lehrerleins bäumt sich doppelt so heftig auf.)
Psychiater: Brav, tapferes Lehrerlein. Aus dir machen wir schon noch ein funktionstüchtiges Mitglied unserer Gesellschaft. Ab Morgen wird die Therapie intensiviert.
Pflegerin: Für leichte Fälle gibt’s Psychologen.
Pfleger 1: Die arbeiten, ganz ohne Drogen.
Pfleger 2: Doch manchmal ist der Patient resistent.
Psychiater: Doch dann sind wir noch lange nicht am End.
Pflegerin: In der Klinik lernen dann die Patienten
Pfleger 1: Wie psychisch Kranke zu denken.
Pfleger 2: Der psychisch Kranke wird von uns geschützt
Psychiater: Und mit Psychopharmaka unterstützt!
Alle: Das ist die schöne neue Welt
Auch wenn das nicht allen gefällt
Das ist die schöne neue Welt
Es geht um Macht und ganz viel Geld.
Pflegerin: Nicht alle wollen sich helfen lassen
Pfleger 1: Doch mit uns ist nicht zu spassen
Pfleger 2: Nach Gesetz dürfen wir Patienten zwingen
Psychiater: Irgendwann wird jede Therapie gelingen

Pflegerin: Am liebsten haben wir die
Pfleger 1: Elektrokrampf-Heil-Therapie
Pfleger 2: Wir heilen damit alle renitenten
Psychiater: und uneinsichtigen Patienten
Alle: Das ist die schöne neue Welt
Auch wenn das nicht allen gefällt
Das ist die schöne neue Welt
Es geht um Macht und ganz viel Geld

(Licht aus)
 
Plötzlich wachte das tapfere Lehrerlein schweissüberströmt aus seinem Albtraum auf. War das alles nur ein Traum? Verwirrt schaute das Lehrerlein in seine Agenda. Der Termin beim Amtsarzt war erst in einer Woche. Es hatte also alles nur geträumt. Vorsichtshalber beschloss das Lehrerlein sich beim Amtsarzt abzumelden und schrieb ein E-Mail an die Gesundheitsdienste:
 
(Licht ein)
 
(Das Lehrerlein schreibt in seinen Computer)
Lehrerlein: Vielen Dank für Ihre Einladung. Ich darf Ihnen versichern, dass ich bei bester Gesundheit bin. Es gibt für mich keinen Grund bei Ihnen zu erscheinen. Auch wenn mein Arbeitgeber das anders sieht, ich bin weder für mich selber noch für meine Mitmenschen eine Bedrohung. Leider habe ich mich immer wieder von Schülern, Eltern, Kollegen und Vorgesetzten zu Reaktionen provozieren lassen, die mir im Nachhinein leid getan haben. Ich lese jetzt ein Buch mit dem Titel „Emotionale Intelligenz“. Ich werde meine Emotionen in Zukunft besser zügeln. Falls Sie noch Fragen haben, dürfen Sie mir gerne ein E-Mail senden.
 
(Licht aus)
 
Das Lehrerlein beschloss einen Anwalt aufzusuchen. Der Anwalt wurde von der Schul-Synode zur Verfügung gestellt. Als Mitglied der Schulsynode musste man nichts bezahlen. Leider wusste das Lehrerlein zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass dieser Jurist auch ein Mitglied der Schildbürger-Partei.
 
(Licht ein)
 
Jurist: Wenn sie eine Einladung vom Amtsarzt bekommen haben, müssen sie unbedingt hingehen.
Lehrerlein: Ich bin da aber anderer Meinung. Ich habe vom Amtsarzt keine Vorladung, sondern nur eine Einladung erhalten. Einladungen sind per Definition freiwillig.
Jurist: Ob Einladung oder Vorladung, das spielt keine Rolle, sie müssen unbedingt hingehen.
Lehrerlein: Nein, das ist mir zu gefährlich. Ich möchte mich nicht psychisch krank schreiben lassen.
Jurist: Sie können nachher immer noch ein psychiatrisches Gegengutachten erstellen lassen.
Lehrerlein: Ich habe das Gefühl ich komme hier in eine Mühle, aus der ich nicht mehr herauskomme. Der Personalleiter Schulen hat an die Vormundschaftsbehörde meines Wohnkantons geschrieben, ich sei akut Selbstmord-gefährdet und eine Gefahr für meine Umwelt.
Jurist: Ich kenne den Personalleiter Schulen gut. Vielleicht ist er hier etwas zu weit gegangen, kann ich mal die Akte sehen?
Lehrerlein: Sie kennen den Personalleiter Schulen persönlich?
Jurist: Die Welt ist klein. Ich habe auch schon mit ihm zu tun gehabt. Ich bin sogar per du mit ihm.
Lehrerlein: Die Welt ist ja kleiner als ich dachte.
Jurist: Das ist kein Problem. Ich werde mich für sie einsetzen, ich brauche nur noch ihre Vollmacht.
Lehrerlein: Sie haben mich jetzt ehrlich gesagt ziemlich verunsichert.
Jurist: Das kann ich gut verstehen. Der Inspektionspräsident muss übrigens die Freistellungsverfügung zuerst bewilligen. Reden Sie doch mal mit ihm.
Lehrerlein: Das ist eine gute Idee. Vielen Dank!
(Das tapfere Lehrerlein verschwindet. Zurück bleibt der Jurist.)
 
Jurist: Die Wahrheit, die gibt’s schon lang nicht mehr
Drum fällt das Lügen uns nicht schwer
Das Recht wird heute so verdreht
Ganz wie der Wind von oben weht

Ohne uns Juristen geht nichts mehr
Drum ist unser Konto niemals leer
Die Kleinen haben keine Rechte
Denn die sind ja schliesslich unsre Knechte

Recht zu haben, das ist nicht schwer
Recht zu bekommen, aber sehr
 
Wer Recht will, der braucht einen Haufen Geld
Das ist üblich heut auf dieser Welt

Wer die Mächtigen nicht stört
Und der richtigen Partei angehört
Der hat ein wirklich angenehmes Leben
Braucht kein Geld für den Anwalt auszugeben
Wir verdrehen die Gesetze dieser Welt
Und kassieren dafür eine Menge Geld.
Darum nennt man uns im Volksmund „Rechtsverdreher“
Das kommt der Wahrheit schon viel näher
 

(Licht aus)
 
Das tapfere Lehrerlein traf sich also mit dem Schulinspektionspräsidenten. Das Lehrerlein wusste, dass der Schulinspektionspräsident auch ein Schildbürger war.
 
(Licht ein)
 
Präsident: Also ich muss Ihnen sagen, das ist das erste Mal, dass ich in meinem Amt als Schulinspektionspräsident eine Freistellung zu bewilligen habe.
Lehrerlein: Es gibt überhaupt keine Gründe für eine Freistellung, meine Chefin will mich einfach aus dem Schuldienst mobben.
Präsident: Aber Sie haben ja auch schon Probleme gehabt, mit der Vorgängerin der jetzigen Rektorin.
Lehrerlein: Ja, das stimmt, auch die wollte mich aus der Schule mobben.
Präsident: Ich stelle fest, das Sie das Gefühl haben, dass alle gegen Sie sind.
Lehrerlein: Ich hoffe nicht, dass Sie auch gegen mich sind, darum habe ich Sie ja um ein Gespräch gebeten.
Präsident: Ich habe aber nicht all zu vielen Möglichkeiten Ihnen zu helfen.
Lehrerlein: Doch, Sie brauchen die Freistellungsverfügung meiner Chefin nicht zu bewilligen.
Präsident: Das ist gar nicht so einfach.
Lehrerlein: Es ist schade, dass Sie nie zu mir in den Unterricht gekommen sind, dann hätten Sie gesehen, dass alles in bester Ordnung ist.
Präsident: Ich mache nie Unterrichtsbesuche, dass machen die anderen Schulinspektionsmitglieder.
Lehrerlein: Ist das normal, wenn der Personalchef mich hinter meinem Rücken als potentiellen Selbstmörder und Amokläufer bezichtigt.
Präsident: Dazu kann ich mich nicht äussern.
Lehrerlein: Aber ich werde gemobbt. Im Internet habe ich recherchiert, dass es tatsächlich einmal jemanden gegeben hat, der so lange gemobbt wurde, bis er in seiner Verzweiflung Leute umgebracht hat.
Präsident: Gehen Sie zum Amtsarzt!
Lehrerlein: Aber der Amtsarzt ist bereits von meiner Rektorin, dem Personalchef und der Ressortleiter Schulen beeinflusst worden. Wenn ich zum Amtsarzt gehe, werde ich psychiatrisch entsorgt.
Präsident: Dann nehmen Sie sich einen Anwalt.
Lehrerlein: Der Anwalt ist per du mit dem Personalchef!
Präsident: Dann nehmen Sie sich einen anderen. Es gibt genügend Anwälte.
Lehrerlein: Aber Sie hätten es doch in den Händen. Sie müssen die Freistellung nicht bewilligen. Sie sehen ja, ich mache einen absolut normalen Eindruck, oder erscheine ich Ihnen etwa auch als psychisch krank?
Präsident: Nein, Sie sind so wie immer.
Lehrerlein: Also, dann helfen Sie mir bitte!
Präsident: Ich muss Ihnen jetzt ganz ehrlich sagen, dass ich die Freistellung bereits gestern bewilligt habe.
Lehrerlein: Was? Sie haben die Freistellung bewilligt, ohne vorher mit mir zu sprechen?
Präsident: Man hat mir gesagt, ich müsse die Freistellung bewilligen.
Lehrerlein: Wer hat Ihnen das gesagt?
Präsident: Die Rechtsabteilung des Erziehungsdepartementes.
Lehrerlein: Dann sind sie also nur eine Marionette des Erziehungsdepartements?
Präsident: Das kann man so sehen.
Lehrerlein: Und das sagen sie mir erst jetzt?
Präsident: Ich kann’s leider nicht ändern.
 
(Licht aus)
 
Das tapfere Lehrerlein war total frustriert. Gab es überhaupt noch jemanden, der zu ihm hielt?
Auch seine Kolleginnen aus dem Team behaupteten, sich von ihm bedroht zu fühlen. Nur zu einer Kollegin hatte das tapfere Lehrerlein noch Vertrauen. Er rief sie an und erzählte ihr alles, was er bisher erlebt hatte und was er zum Thema Mobbing im Internet recherchiert hatte. Kurz darauf erhielt er von dieser Kollegin einen Brief.
 
(Licht ein)
 
(Das Lehrerlein liest den Brief.)
 
Lehrerlein: Du hast dich nun mehrmals an mich gewandt und mir einen Einblick in deine Sicht gegeben, und mir scheint, dass du dich recht isoliert fühlst, was ich auch verstehen kann. Trotzdem kann ich dir nicht helfen, weder beim Suchen von Beweismaterial noch als Informantin. Ich hoffe, das verstehst du. Das ganze Geschichte belastet mich, vor allem weil ich immer mehr das Gefühl habe, dass du nicht mehr wahrnimmst, wie du auf andere wirkst. Ich kann dir nur raten, zu dir Sorge zu tragen und rechtzeitig eine medizinische Fachkraft zu Hilfe zu ziehen. Wir leben alle in einer stressenden Zeit und jeder kann einmal in eine Situation geraten, wo er den Boden unter den Füssen verliert und Fachhilfe braucht. Ich hoffe, du hast dich nicht schon zu sehr verrannt und kannst diese Botschaft noch hören. Du kannst mir gern von Zeit zu Zeit e-mailen, wie es dir geht, nur ausfragen musst du mich nicht mehr. Ich habe mich etwas ausgenützt gefühlt nach deinem letzten Telefon und denke, dass dieses Ausfragen normale Kontakte mit Kollegen und Kolleginnen im Schulhaus erschwert. Machs gut!
 
(Licht aus)
 
Erneut war das tapfere Lehrerlein total frustriert. Offensichtlich sollte es mit allen Mitteln krankgeschrieben werden. Es fehlte nur noch die offizielle Unterschrift des Amtsarztes. Morgen war der Termin beim Amtsarzt. Was sollte das tapfere Lehrerlein tun? In der Nacht hatte das Lehrerlein wieder fürchterliche Albträume. Es träumte, es sei wieder in der psychiatrischen Klinik. Es war gezeichnet von der Elektrokrampf-Therapie. Bleich, müde, ängstlich und apathisch sass es dem Leiter der psychiatrischen Klinik gegenüber.
(Licht aus)
 
Psychiater: So, tapferes Lehrerlein, du sprichst recht gut auf die Elektrokrampf-Therapie an.
(Das tapfere Lehrerlein spricht ganz langsam und unkonzentriert. Es macht den Eindruck, sein Hirn sei geschädigt.)
Lehrerlein: Ich, ..., äh, ... ich weiss nicht mehr, wie ich heisse ...
Psychiater: Das ist nicht so schlimm, das sind nur die Nebenwirkungen der Elektrokrampf-Therapie.
Lehrerlein: Ich, ..., ehm, ... weiss auch nicht mehr warum ich ... überhaupt hier bin ...
Psychiater: Du hast eine paranoide Schizophrenie.
Lehrerlein: Bin ich ... eh ... jetzt wieder gesund?
Psychiater: Weißt du, Schizophrenie ist eine schwere Erbkrankheit. Du wirst den Rest deines Lebens Psychopharmaka einnehmen müssen.
Lehrerlein: Aber ich will keine Spritzen mehr!
Psychiater: Mach dir keine Sorgen, es gibt dein Medikament in Form von Tabletten ...
Lehrerlein: Wann ... darf ich wieder nach ... Hause?
Psychiater: Die Psychiatrie-Rekurskommission hat deinen Rekurs leider abgelehnt. Du darfst also noch ein bisschen bei uns bleiben. Bei uns bekommst du die Gelegenheit zu lernen, mit deiner Krankheit umzugehen. Du wirst morgen von der geschlossenen in die offene Abteilung verlegt.
Lehrerlein: Kommt mich ... dann auch mal jemand ... besuchen?
Psychiater: Aber selbstverständlich. Der Vorsteher des Erziehungsdepartements und der Leiter Ressort Schulen und deine Rektorin haben sich bereits nach dir erkundigt.
Lehrerlein: Wann darf ... ich endlich wieder ... arbeiten?
Psychiater: Das kann ich dir leider nicht sagen, aber habe Vertrauen in die Psychiatrie. Auch ein Leben mit der Krankheit Schizophrenie ist noch lebenswert.
(Licht aus)
Damit war der Albtraum des tapferen Lehrerlein aber noch nicht zu Ende. Es träumte, wie es von der geschlossenen in die offene Abteilung verlegt wurde und dort auf Menschen traf, die alle ängstlich, apathisch und überangepasst wirkten.
 
(Licht ein)
 
Patienten: Wir dämmern vor und hin
Uns fehlt der Lebenssinn
Wir haben keine Kraft
Und keine Leidenschaft
Wir fühlen uns so dumpf
Wir stecken tief im Sumpf
Wir schlucken alle Pillen
Sind ohne freien Willen
 
Wir leben mit Neurosen
Wir leben mit Psychosen
Wir sind manisch depressiv
Und nicht mehr aggressiv
Hier werden wir betreut
Wir haben’s nie bereut
Die schöne neue Welt
Ist das was uns gefällt

(Licht aus)


Völlig fertig wachte das tapfere Lehrerlein aus seinem erneuten Albtraum auf. Es war total verstört. Wollte seine Rektorin ihn tatsächlich über den Amtsarzt in eine Klinik einweisen lassen? Je länger das Lehrerlein darüber nachdachte, desto mehr bekam es Angst. Nach reiflicher Überlegung beschloss es endgültig, nicht beim Amtsarzt zu erscheinen. Am Nachmittag läutete es an der Haustüre des Lehrerleins.
 
(Licht ein)
 
(Man hört das Klingeln. Das Lehrerlein öffnet.)
Lehrerlein: Die Polizei? Was gibt’s? Was habe ich verbrochen?
Polizei: Ich habe den Auftrag erhalten, bei ihnen nachzuschauen, ob alles in Ordnung ist.
Lehrerlein: Und? Was soll nicht in Ordnung sein?
Polizei: Sie hatten heute Morgen einen Termin beim Amtsarzt und sind nicht erschienen.
Lehrerlein: Und? Ist das ein Verbrechen?
Polizei: Das nicht, aber verschiedene Leute machen sich Sorgen um sie?
Lehrerlein: Sorgen um mich? Gewisse Leute wollen mich stressen!
Polizei: Ihre Rektorin macht sich Sorgen um sie. Sie hat Angst, dass sie sich etwas antun könnten.
Lehrerlein: Diese Frau macht alles, um mich beruflich zu erledigen.
Polizei: Sie sollen angeblich den Namen eines Amokläufers erwähnt haben?
Lehrerlein: Den Namen eines Amokläufers? Ich bin beim Recherchieren zum Thema Mobbing auf den Namen eines Amokläufers gestossen, das ist alles.
Polizei: Sie sollen den Namen dieses Amokläufers haben sie in verschiedenen Gesprächen erwähnt haben.
Lehrerlein: Und, ist das ein Verbrechen?
Polizei: Sie hätten diesen Namen nicht erwähnen dürfen.
Lehrerlein: Warum nicht?
Polizei: Alle haben Angst vor ihnen bekommen.
Lehrerlein: Angst? Wieso Angst. Ich habe nur gesagt, dass dieser Amokläufer das spektakulärste Mobbing-Opfer in unserem Land ist.
Polizei: Das hätten sie eben nicht tun sollen.
Lehrerlein: Warum nicht? In unserem Land herrscht immer noch Meinungsfreiheit.
Polizei: Gewisse Reizworte sollte man eben nicht aussprechen.
Lehrerlein: Welche Reizworte?
Polizei: Eben zum Beispiel den Namen dieses Amokläufers.
Lehrerlein: Dieser Amokläufer ist nicht als Amokläufer auf die Welt gekommen, sondern man hat ihn in diese Situation getrieben.
Polizei: Es ist gefährlich, sich mit Amokläufern zu identifizieren.
Lehrerlein: Ich habe mich mit diesem Mann nicht identifiziert.
Polizei: Man macht sich Sorgen, dass sie sich und anderen etwas antun könnten.
Lehrerlein: Wer macht sich Sorgen?
Polizei: Mir ist diese Telefonnummer gegeben worden. Sie sollten dringendst dort anrufen.
Lehrerlein: Was ist das für eine Telefonnummer?
Polizei: Man hat mir gesagt, der Amtsarzt mache sich Sorgen um sie.
Lehrerlein: Ich habe mich offiziell beim Amtsarzt abgemeldet.
Polizei: Offensichtlich hat er grosse Angst, dass sie sich etwas antun könnten.
Lehrerlein: Aber sie sehen ja, dass alles in Ordnung ist. Ich möchte mich nicht umbringen, aber ich werde extrem von meiner Chefin gemobbt.
Polizei: Das kann ich nicht beurteilen, rufen sie doch einfach diese Nummer an.
(Licht aus)
(Nach dem Gespräch mit dem Polizisten war das Lehrerlein etwas verwirrt. Was sollte das Ganze? Wer hatte die Polizei auf ihn gehetzt? Es beschloss die Nummer anzurufen, die es vom Polizisten bekommen hatte.)
Amtsarzt: Hallo, hier spricht der Amtsarzt, wer ist am Apparat?
Lehrerlein: Hallo, Herr Amtsarzt, haben Sie mir die Polizei vorbeigeschickt?
Amtsarzt: Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht. Warum sind Sie heute Morgen nicht zum vereinbarten Termin erschienen?
Lehrerlein: Ich habe mich ja offiziell bei Ihnen abgemeldet.
Amtsarzt: Ich habe Ihnen aber eine Vorladung geschickt, da können Sie sich nicht einfach abmelden.
Lehrerlein: Es tut mir leid, aber es war keine Vorladung, sondern nur eine Einladung.
Amtsarzt: Das spielt keine Rolle, Sie hätten kommen müssen.
Lehrerlein: Aber ich bin gesund. Ich werde zwar von meiner Chefin gemobbt, aber im Moment fühle ich mich noch gesund.
Amtsarzt: Ja, aber die Leute aus dem Erziehungsdepartement sagen etwas anderes. Meine Aufgabe wäre es gewesen, abzuklären, wie es um Sie steht.
Lehrerlein: Das habe ich Ihnen doch gerade erklärt.
Amtsarzt: Ja schon, aber Sie haben keine medizinische Ausbildung.
Lehrerlein: Das stimmt, aber ich gehe erst zum Arzt, wenn ich mich krank fühle.
Amtsarzt: Bei bestimmten psychischen Krankheiten merkt man das eben nicht sofort.
Lehrerlein: Wenn dieser Stress so weiter geht, werde ich wirklich noch psychisch krank.
Amtsarzt: Ich merke, ich kann die Verantwortung für Sie nicht weiter übernehmen.
Lehrelein: Das brauchen Sie auch nicht, ich bin ein mündiger Bürger.
Amtsarzt: Das sagen Sie, aber man muss jetzt einfach handeln, bevor es zu spät ist.
Lehrerlein: Ja, wenn Sie meinen.
Amtsarzt: Meine Einschätzung ist, dass Sie nicht die ganze Realität sehen.
Lehrerlein: Ja, wenn Sie das so sehen.
Amtsarzt: Ich muss die Verantwortung jetzt einfach weitergeben, wenn Sie nicht zu mir kommen wollen.
Lehrerlein: Wenn Sie das sagen.
Amtsarzt: Versprechen Sie mir ganz ruhig zu bleiben und keine Dummheiten zu machen?
Lehrerlein: Ja, klar, aber lassen Sie mich dann in Ruhe?
Amtsarzt: Wissen Sie, man kann die Situation jetzt nicht einfach so lassen ...
Lehrerlein: Ja, ja, ja ...
Amtsarzt: Man muss da unbedingt etwas unternehmen, ...
Lehrerlein: Ja, ja, ja ...
(Licht aus)
Das Lehrerlein war nach dem Gespräch mit dem Amtsarzt noch verwirrter als vorher. Irgendwie hatte es das Gefühl, der Amtsarzt spiele ein böses Spiel mit ihm. Entweder war der Amtsarzt ein schlechter Schauspieler oder er war ganz einfach inkompetent. Das Lehrerlein beschloss früh ins Bett zu gehen. Es war schon eingeschlafen, als um 22.00 Uhr die Hausglocke läutete. Das Lehrerlein schreckte auf, öffnete das Fenster und schaute in den Garten. Dort stand ein Polizist und eine Polizistin.
 
(Licht ein)
 
Lehrerlein: Was wollt ihr von mir um diese Zeit?
Polizistin: Sie müssen mitkommen auf den Polizeiposten.
Lehrerlein: Um diese Zeit? Sicher nicht!
Polizist: Ziehen Sie sich an und öffnen sie die Haustüre.
Lehrerlein: Sicher nicht in diesem Ton. Was wollen Sie?
Polizistin: Jemand erwartet Sie auf dem Polizeiposten, der mit Ihnen reden möchte.
Lehrerlein: Wer soll das sein?
Polizistin: Das werden Sie dann dort sehen.
Lehrerlein: Ich werde sicher nicht auf den Polizeiposten mitkommen, wenn Sie mir nicht sagen, wer mich dort erwartet.
Polizistin: Das werden Sie dann sehen, öffnen Sie jetzt die Türe und kommen Sie mit!
Lehrerlein: Sie sind mir ja ein richtiger Macho!
Polizistin: Ich bin kein Macho, ich bin eine Frau.
Lehrerlein: Da muss ich aber lachen! Wie heissen Sie überhaupt?
Polizist: Das müssen wir Ihnen nicht sagen.
Lehrerlein: Dann komme ich auch nicht mit, wenn Sie mir nicht sagen, wer Sie sind und wer auf dem Polizeiposten auf mich wartet.
Polizistin: Wir haben Zeit.
Lehrerlein: Ich auch, gute Nacht!
 
(Licht aus)
 
Das Lehrerlein spielte zwar den Coolen, innerlich aber klopfte ihm das Herz bis zum Hals. Was sollte es tun? Auf keinen Fall durfte es sich provozieren lassen. Es beschloss, selber die Polizisten etwas zu provozieren.
 
(Licht ein)
 
Lehrerlein: Seid ihr immer noch da?
Polizistin: Kommen Sie jetzt mit, es ist wichtig, es wartet jemand auf Sie.
Lehrerlein: Solange Sie mir nicht sagen, wer auf mich wartet, komme ich auch nicht mit. Habt ihr nicht langsam kalt?
Polizist: Öffnen Sie jetzt die Türe, oder wir werden andere Massnahmen ergreifen müssen?
Lehrerlein: Wollt ihr mir etwa die Türe aufbrechen?
Polizistin: Das werden Sie schon noch sehen.
Lehrerlein: Sie erkälten sich noch da draussen, wollen Sie einen Tee?
Polizist: Wir wollen jetzt, dass Sie mitkommen.
Lehrerlein: Zuerst sagen Sie mir, wie Sie heissen und was Ihr Auftrag ist.
(Licht aus)
Das Lehrerlein blieb konsequent und öffnete die Tür nicht. Erst nach etwa dreissig Minuten, beschlossen die beiden Ordnungshüter, sich zurückzuziehen.
 
(Licht ein)
 
Polizist: Wir kommen wieder!
 
(Licht aus)
 
Am Morgen wurde das Lehrerlein wieder von der Hausglocke aus dem Schlaf gerissen. Diesmal stand wieder der Polizist vom Nachmittag vor der Türe. Das Lehrerlein hatte langsam genug und bat den Polizisten in seine Wohnung.
 
(Licht ein)
 
Polizist: Also, wir sollten das Ganze langsam zu einem Ende bringen.
Lehrerlein: Ja, das finde ich schon lange.
Polizist: Es wäre gut, wenn sie mit jemandem vom medizinischen Notfalldienst sprechen könnten.
Lehrerlein: Wenn das die Sache endlich zu einem Abschluss bringt.
Polizist: Gut, dann bringe ich Sie zum medizinischen Notfalldienst.
Lehrerlein: Ich gehe überhaupt nirgends hin. Ich bleibe hier in meinen eigenen vier Wänden. Hier fühle ich mich sicher.
Polizist: Der medizinische Notfalldienst könnte auch zu Ihnen kommen.
Lehrerlein: Von mir aus, ich bin den ganzen Morgen hier.
Polizist: Ok. Bis in einer halben Stunde.
 
(Licht aus)
 
Nach einer halben Stunde klingelte es erneut. Vor der Türe stand der Polizist und ein Mann mit einem Köfferchen.
 
(Licht ein)
 
N-Psychiater: Guten Tag, ich bin Notfallpsychiater.
Lehrerlein: (zum Polizisten) Von einem Psychiater haben Sie aber nichts gesagt.
Polizist: Aber vom psychiatrischen Notfalldienst.
Lehrerlein: Nein, vom medizinischen Notfalldienst!
Polizist: Aha? Ich kann mich nicht erinnern.
Lehrerlein: Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Nehmen Sie Platz und machen Sie es sich gemütlich.
N-Psychiater: Nehmen Sie Medikamente?
Lehrerlein: Nein, wieso müssen Sie das wissen?
N-Psychiater: Ich habe den Auftrag, Sie zu befragen, da ist alles wichtig.
Lehrerlein: Nein, ich nehme keine Medikamente.
N-Psychiater. Ich habe den Eindruck, Sie stehen ziemlich unter Stress.
Lehrerlein: Das kann man sagen. Dauernd irgendwelche Überraschungen: Freistellungsverfügungen, Einladungen zum Amtsarzt, Polizisten, die mich nachts aus dem Bett klingeln.
N-Psychiater: Das ist nicht gerade ideal, um seine Sommerferien zu geniessen.
Lehrerlein: Überhaupt nicht. Ich komme überhaupt nicht zur Ruhe. Entweder es flattert mir Behördenpost ins Haus, oder ich erhalte dauernd Besuche von der Polizei, oder jetzt von ihnen.
N-Psychiater: Was wirft man Ihnen vor?
Lehrerlein: Dass ich bedrohlich sei, dass ich eine Gefahr für mich und meine Umwelt sei.
N-Psychiater: Wissen Sie eigentlich, wieso ich zu Ihnen gerufen wurde?
Lehrerlein: Ich weiss eigentlich gar nichts. Anscheinend fühlen sich alle von mir bedroht, aber warum weiss ich eigentlich auch nicht. Die haben nie mit mir darüber geredet.
N-Psychiater: Wissen Sie, wer das ist, wer sich da bedroht fühlt?
Lehrerlein: Ich nehme an, die Frauen aus meinem Team und die Frauen in der Schulhausleitung.
N-Psychiater: Sie haben diesen Frauen gegenüber nie eine Äusserung gemacht, dass Sie sie umbringen wollten oder so?
Lehrerlein: Nein, sicher nicht!
N-Psychiater: Was Ihnen ja vorgeworfen wird, ist, was ich gehört habe, dass Sie gesagt haben, es passiere etwa dasselbe mit Ihnen wie mit diesem Amokläufer, den Sie erwähnt haben.
Lehrerlein: Ich studiere diesen Fall im Moment und bin zum Schluss gekommen, dass falls dieser Mann in der selben Situation wie ich gewesen ist, sein Amoklauf sicher ein grosser Fehler war. Allerdings hat man diesen Mann ebenfalls sehr in die Enge getrieben.
N-Psychiater: Haben Sie eine Waffe?
Lehrerlein: Ich habe eine Waffe.
N-Psychiater: Mehrere?
Lehrerlein: (lacht) Eine, müssen Sie das alles wissen als Psychiater?
N-Psychiater: Ja, das muss ich wissen, weil ich Sie letztendlich beurteilen muss.
Lehrerlein: Und da drehen Sie mir daraus einen Strick, dass ich eine Waffe habe?
N-Psychiater: Möglicherweise.
Lehrerlein: (lacht) Ich habe nur meine alte Dienstpistole, ein Sammlergegenstand.
N-Psychiater: Und Munition?
Lehrerlein: Keine natürlich.
N-Psychiater: Was ist das für ein Modell?
Lehrerlein: Die alte SIG-Offizierspistole. Ich bin kein Waffennarr. Also irgendwann müssen wir jetzt langsam aufhören, ich habe Ihnen jetzt viel gesagt, oder wollen Sie mich testen, wie lange es geht, bis ich ausflippe?
N-Psychiater: Dass Sie den Termin gestern nicht wahrgenommen haben, hat den Amtsarzt in einen grossen Stress gebracht.
Lehrerlein: Aber ich habe ihn angerufen und ihm gesagt, dass alles in Ordnung sei.
N-Psychiater: Sehen Sie, ich bin in der schwierigen Situation, dass ich jetzt beurteilen muss, ob Sie in die Klinik gehen müssen, oder ob man Sie hier lassen kann.
Lehrerlein. (lacht) Und was würden sie sagen?
N-Psychiater: Sie müssen in die Klinik.
Lehrerlein: Vergessen Sie es!
N-Psychiater: Es ist in dieser kurzen Zeit nicht möglich gewesen, Sie wirklich fair zu beurteilen.
Lehrerlein: Jetzt hört bei mir der Spass auf.
N-Psychiater: Weil ich jetzt eigentlich die Verantwortung habe, quasi Sie beurteilen muss, ob Sie aktuell hier bleiben können oder nicht und ich würde Sie gerne hier lassen, aber weil ich nicht so ganz sicher bin, ob das wirklich geht, kann ich diese Verantwortung nicht wirklich übernehmen.
Lehrerlein: Ich übernehme die Verantwortung für meine Wohnung, ist das gut?
N-Psychiater: Ja, das können sie eben nicht.
Lehrerlein: Aha, das kann ich auch nicht. Jetzt wird es mir zu blöd ...
N-Spieler: Das ist jetzt einfach die Situation ...
Lehrerlein: Jetzt wird es mir einfach zu blöd, jetzt möchte ich Sie gerne bitten, aus meiner Wohnung zu gehen
N-Spieler: Ja, das werde ich jetzt gerade machen.
Lehrerlein: (zum Polizisten) Sie sind Zeuge, dass ich ihn ganz nett rausgebeten habe.
 
(Licht aus)
 
Nachdem die beiden gegangen waren, wurde das tapfere Lehrerlein von einer grossen Verzweiflung gepackt. Es fühlte sich total in die Enge getrieben. Seine Albträume schienen immer mehr zur Wirklichkeit zu werden. Das tapfere Lehrerlein war am Boden zerstört. Plötzlich läutete das Telefon. Am Apparat war der Ressortleiter Schulen.
 
(Licht ein)
 
Ressortleiter: Wie geht es Ihnen?
Lehrerlein: Es geht mir überhaupt nicht gut. Es war soeben ein Notfallpsychiater bei mir. Er hat gemeint, ich müsse in eine Klinik.
Ressortleiter: Aha.
Lehrerlein: Ich bin zwar Pazifist, aber ich werde mich wehren, wenn man mich zwangsweise in eine Klinik einweisen will.
(Es läutet  an der Tür.)
Lehrerlein: Moment, es hat an meiner Tür geklingelt, ich komme gleich wieder ...
(Das Lehrerlein geht an die Tür)
Der Notfallpsychiater und der Polizist standen wieder vor der Tür. Das Lehrerlein öffnete die Tür aber nicht.
Lehrerlein: Euch öffne ich die Tür nicht mehr.
N-Psychiater: Die Übung ist abgebrochen. Sie stellen keine akute Fremd- bzw. Selbstgefährdung dar.
Lehrerlein: Und was soll das heissen?
N-Psychiater: Wir haben juristisch keine Möglichkeit, sie in die Klinik einzuweisen.
 
(Licht aus)
 
Das Lehrerlein war ziemlich sauer und trotzdem auch sehr erleichtert. Es ging zurück zum Telefon und orientierte den Ressortleiter. Dieser schien sich aber nicht über die gute Neuigkeit zu freuen. Er zeigte sich immer noch sehr besorgt, wünschte dem Lehrerlein aber alles Gute. Kaum hatte er das Telefonat beendet, schrieb der Ressortleiter einen Brief an den Kantonsärztlichen Dienst und an die Staatsanwaltschaft:
(Der Ressortleiter schreibt in seinen Computer)

Ressortleiter:    Sehr geehrte Damen und Herren
                       Ich habe eben mit dem betreffenden Lehrer telefoniert. Gemäss seinen Aussagen wurde er heute morgen von einem Notfallpsychiater besucht. Der Psychiater habe ihm am Ende des Gesprächs mitgeteilt, eine Einweisung in die Klinik sei nötig. Der Lehrer machte am Telefon einen verzweifelten Eindruck. Er sagte, er werde sich und sein Haus – obwohl er Pazifist sei – mit allen Mitteln verteidigen, wenn man ihn abhole und in die Klinik führe. Während meines Telefongesprächs läutete seine Hausglocke. Gemäss seinen Aussagen sei es noch einmal der Psychiater gewesen, der ihm gesagt habe, er habe die Einweisung gestoppt, weil nur eine latente, nicht aber eine akute Fremdgefährdung vorliege. Ich bin besorgt. Ich halte es nach wie vor für notwendig, dass sofort eine sorgfältige medizinisch-psychiatrische Abklärung vorgenommen wird.
                       Mit freundlichen Grüssen
                       Der Ressortleiter
 
Ressortleiter: Wir machen das Lehrerlein zur Schnecke
Wir treiben es gemeinsam in die Ecke
Wir tun so, als machten wir uns Sorgen
Auch so kann man Leute entsorgen
 
Amtsarzt: Wir können jeden Bürger psychiatrisieren
Oder ihn ganz schnell kriminalisieren
Wer nicht spurt nimmt die Staatsanwaltschaft
Für 48 Stunden kurz in Haft.
 
Alle: Das ist die schöne neue Welt
Wir tun, was uns gefällt
Und wenn einer nicht mitmarschiert
Wird er von uns schnell aussortiert
 
Psychologe: Wir haben alle unsere Rolle
Bei der psychosozialen Kontrolle
Natürlich halten wir alle dicht
Daher kommt nie etwas ans Licht
 
Rektorin: Ich bin die Frau für das Grobe
Entschuldigung, dass ich mich so lobe
Doch ich weiss ganz genau, was mir nützt
Und ich werde von oben unterstützt
 
Alle: Das ist die schöne neue Welt
Wir tun das, was uns gefällt
Und wenn einer nicht mitmarschiert
Wird er von uns schnell aussortiert
 
Personalchef: Wer nicht spurt wird entlassen
Wir nehmen das alles ganz gelassen
Wir drehen alles so wie’s uns beliebt
Wir tun so, als ob’s keine Wahrheit gibt
 
Vorsteher: Als Vorsteher hab’ ich oberste Kontrolle
Die Wahrheit spielt für keine Rolle
Wer mächtig ist, der darf auch lügen,
Täuschen, verdrehen und betrügen
 
(Licht aus)
 
 

Natürlich glaubte das tapfere Lehrerlein zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an Zufälle. Auch das Telefonat mit dem Ressortleiter war kein Zufall. Die Taktik war klar. Man wollte das Lehrerlein mit allen Mitteln in die Enge treiben. Vom Brief des Ressortleiters wusste das tapfere Lehrerlein allerdings nichts. Es war erschöpft von den unzähligen Fragen des Notfallpsychiaters. Müde sank es auf sein Bett. Plötzlich läutete das Telefon und eine unbekannte Stimme war am Telefon zu hören.
 
(Licht ein)
 
Stimme: Hier spricht die Polizei! Kommen sie mit erhobenen Händen aus ihrem Haus
Sonst werden wir Ihnen die Türe auframmen.
Lehrerlein: Was? Das soll wohl ein Witz sein?
Stimme: Das ist kein Witz. Hier spricht die Polizei. Das Haus ist umstellt. Kommen sie heraus.
Lehrerlein: Was soll das? Spinnt ihr, ich habe nichts verbrochen.
Polizei: Wenn sie nichts verbrochen haben, brauchen sie auch nichts zu befürchten. Kommen sie jetzt mit erhobenen Händen heraus.
Lehrerlein: Ich lasse euch nicht ins Haus. Ihr wollt mir nur etwas anhängen. Ich werde mich wehren, ich habe eine Waffe.
(Licht aus)
In panischer Angst hängte das Lehrerlein den Telefonhörer auf. Einige Sekunden später klingelte es erneut. Wütend nahm das Lehrerlein den Telefonhörer.
(Licht ein)
Lehrerlein: Was soll eigentlich der ganze Scheiss? Wollt ihr mich fertig machen oder was. Ich komme sicher nicht raus. Ihr könnt mich ja erschiessen, wenn ihr wollt.
(Licht aus)
Das tapfere Lehrerlein legte den Hörer wieder auf. Verzweifelt versuchte es diverse Beweisakten im Haus zu verstecken. In Panik schrieb es sich die Telefonnummer seines neuen Anwalts auf den Arm und verliess das Haus. Kaum war es aus dem Haus, wurde es von mehreren Männern in schwarzer Kampfmontur zu Boden gerissen.
(Licht ein)
Lehrerlein: Was soll der Scheiss?
Polizist 1: Auf den Boden! Hände auf den Rücken!
(Dem Lehrerlein werden die Hände hinter dem Rücken mit Handschellen gefesselt. Dabei wird es gewaltsam zu Boden gedrückt.)
Polizist 2: Wo ist die Waffe?
Lehrerlein: Ich habe keine Waffe!
Polizist 3: Wo ist ihre Militärpistole?
Lehrerlein: Keine Ahnung, irgendwo im Keller!
Polizist 4: Wo genau im Keller?
Lehrerlein: Keine Ahnung! Ihr müsst das Ding halt suchen!
(Dem Lehrerlein wird der Hausschlüssel abgenommen. Die Polizisten gehen ins Haus und suchen die Waffe. Nach ein paar Minuten kommen sie wieder heraus.)
Polizist 4: Wir haben sie!
Polizist 5. Los aufstehen! Wir bringen sie jetzt auf dem Polizeiposten!
Polizist 6: Zieht ihm die Augenbinde an!
(Dem Lehrerlein wird eine Augenbinde umgelegt.)
Lehrerlein: Was soll der gottverdammte Scheiss? Nehmt mir sofort diese Augenbinde ab! Ihr nehmt mir jetzt sofort diese Augenbinde ab, ihr verdammten Arschlöcher! Ist das eigentlich eine Übung, oder was soll der ganze Mist?
 
(Licht aus)
 
Das Lehrerlein wurde in einem Gefangenentransport-Gefährt auf den nächsten Polizeiposten gefahren. Dort wurde es in einen Keller gebracht, wo ihm seine persönlichen Gegenstände wie Portemonnaie, Schlüssel, Ausweise und u.s.w. abgenommen wurde. Sogar die Schnürsenkel aus seinen Schuhen wurden ihm entwendet. Die Polizisten gaben vor, sich Sorgen zu machen, dass sich das tapfere Lehrerlein mit den Schnürsenkeln umbringen könnte. Nach etwa einer Stunde in einem modrigen Keller mit hell leuchtender Glühbirne wurde es in das städtische Untersuchungsgefängnis gefahren. Dort musste es eine ganze Nacht verbringen, ohne dass man ihm den Grund dafür gesagt hätte. Es war ihm auch nicht erlaubt, seine Angehörigen zu verständigen oder seinen Anwalt zu informieren. Das tapfere Lehrerlein war unglaublich zornig. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als mit Liegestützen seine aufgestauten Aggressionen wieder abzubauen. In der Nacht blieb es stundenlang wach. Es konnte sich nicht erklären, warum es hier gefangen gehalten wurde.
 
(Licht ein)
 
Lehrerlein: Warum bin ich in diesem Loch gefangen?
Ich kann das einfach wirklich nicht versteh’n.
Wär’ ich doch in die Ferien gegangen.
Wie wird das Ganze für mich weitergehn.
 
Ich fühl’ mich so allein
Warum muss das so sein?
Wie geht das alles aus?
Komm ich hier jemals raus?
 
Meine Freunde machen sich jetzt sicher Sorgen.
Werd’ ich sie wohl jemals wieder seh’n?
Seh’ ich vielleicht meinen Anwalt morgen?
Wie schnell wird diese schlimme Nacht vergeh’n?
 

Irgend jemand pfuscht mir hier ins Leben
Das ist hinterhältig und gemein
Ich würd’ wirklich alles dafür geben.
Um so schnell wie möglich frei zu sein
 
(Licht aus)
 

Am anderen Morgen wurde das tapfere Lehrerlein in einen Raum geführt, wo es die sog. erkennungsdienstlichen Massnahmen über sich ergehen lassen musste: Fingerabdrücke, DNA-Probe und Verbrecherphoto. Ganz wie im Krimi. Wollte man ihm irgend etwas anhängen und den Rest seines Lebens wegsperren? Noch immer wusste das tapfere Lehrerlein nicht, was ihm vorgeworfen wurde. Nach einer Weile wurde es von einem Kriminalkommissar und seinem Assistenten in ein Büro gebracht, wo es vernommen wurde.
Als erstes wurde es vom Kommissar über seine Rechte aufgeklärt. Es war wie im Film:
 
(Licht ein)
 
Kommissar: Sie können die Aussage verweigern, alles was Sie aussagen, kann gegen Sie verwendet werden.
 
(Licht aus)
 
Die Vernehmung begann relativ harmlos. Das tapfere Lehrerlein durfte schildern, wie es in den letzten Jahren seinen Schuldienst erlebt hatte. Es erzählte, dass es von seiner Rektorin nie ernst genommen wurde und immer subtil gemobbt wurde. Der Kriminalkommissar ging taktisch vor. Das Lehrerlein sollte sich zuerst in Sicherheit wiegen. Als das Lehrerlein dann Vertrauen gefasst hatte, kamen die harten Suggestiv-Fragen.
 
(Licht ein)
 
Kommissar: In den vergangenen Tagen haben Sie sich mindestens 2 mal mit einem Amokläufer verglichen. Was haben Sie mit diesen Äusserungen mitteilen wollen?
Lehrerlein: Das habe ich dem Notfallpsychiater, welcher am Samstag bei mir vorbeigekommen ist, schon erzählt. Dieser Mann wurde gemobbt und ist in eine grosse Verzweiflung gekommen. Es ist meine Wahrnehmung, dass ich in der selben Situation bin. Ich wollte damit nur sagen, dass dieser Mann gemobbt wurde und in eine Situation gekommen ist, aus welcher er nicht mehr allein hinauskommen konnte.
Kommissar: Dieser Amokläufer hat in der Folge verschiedene Personen umgebracht. Sie haben dessen Namen gegenüber den vor Ihnen stehenden Personen nur erwähnt, um diese unter Druck zu setzen. Vor allem aber haben Sie damit ihre Rektorin indirekt mit dem Tod bedroht.
Lehrerlein: Wenn man mich kennt, ist das ganz einfach nicht realistisch. Das ist konstruiert, wie alles konstruiert ist. Ich würde das nie machen. Einfach nie. Ich habe mich mit diesem Thema befasst und ich habe mir erlaubt, den Namen dieses Mobbing-Opfers in den Mund zu nehmen. Mir wäre wichtig, dass man lernt aus diesem Fall.
Kommissar: Können Sie sich vorstellen, was in einem Menschen vorgeht, wenn man eine Situation wie die Ihre mit solchen Vorfällen wie die dieses Amokläufers vergleicht?
Lehrerlein: Diesen Vergleich kann ich so nicht nachvollziehen. Wenn man mir böse kommen will, kann man natürlich auch alles verstehen, wie man will. Ich möchte doch niemandem etwas zu leide tun.
(Licht aus)
Die Vernehmung ging insgesamt etwa vier Stunden. Am Abend wurde das tapfere Lehrerlein zum Staatsanwalt gebracht. Der Staatsanwalt machte einen ziemlich undurchsichtigen Eindruck. Das Lehrerlein musste ihm per Handschlag versprechen, dass es am anderen Tag nicht in der Schule erschien. Dann liess man das Lehrerlein wieder frei.
 
(Licht ein)
 
Alle: Wir machen das Lehrerlein zur Schnecke
Wir treiben es gemeinsam in die Ecke
Als nächstes informieren wir die Presse
Dann bekommt das Lehrerlein eins in die Fresse
Zuerst bringen wir’s im Gratisblatt
Im Monopol-Blatt geht die Post dann richtig ab
Der Ruf des Lehrerleins wird ruiniert
Und das Lehrerlein damit noch mehr frustriert
 
Das ist die schöne neue Welt
Wir tun, was uns gefällt
Und wenn einer nicht mitmarschiert
Wird er von uns schnell aussortiert
 
Als nächstes wird das Lehrerlein entlassen
Es wird uns dann alle ziemlich hassen
Doch das Lehrerlein kann gar nichts machen
Bald hat es gar nichts mehr zu lachen.
Das Lehrerlein hat bald nen schlechten Ruf
Dann bekommt es keinen Job mehr im Beruf
Es darf die freie Zeit dann dazu nutzen
um Dreck in den Schulhäusern zu putzen
 
Das ist die schöne neue Welt
Wir tun, was uns gefällt
Und wenn einer nicht mitmarschiert
Wird er von uns schnell ausrangiert
 
(Licht aus)
 

Die Journalistin, die das tapfere Lehrerlein in die Pfanne zu hauen hatte, arbeitete eng mit dem Ressortleiter Schulen zusammen. Der Ressortleiter war auch gleichzeitig der Mediensprecher des Ressort Schulen. Die Journalistin hatte den Auftrag, dass tapfere Lehrerlein in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken und den Ressortleiter als beherzten Kämpfer gegen das Böse darzustellen.
 
(Licht ein)
 
(Die Journalistin schreibt ihren Artikel in den Computer)
Journalistin: So zuerst mal einen reisserischen Titel: Zwar ist das Lehrerlein nicht einmal angeklagt, aber das spielt ja keine Rolle: Lehrer wurde wegen Drohungen freigestellt.
Dann auch ganz besonders wichtig: Man muss den Sprecher der Staatsanwaltschaft zitieren, das gibt der ganzen Sache die nötige Wichtigkeit: Also .. die Polizei hat im Auftrag der Staatsanwaltschaft einen Lehrer an seinem Wohnort festgenommen. Der Grund: Der Lehrer hatte die Schulleitung bedroht. Weil die Staatsanwaltschaft keine Vertuschungs-, Fortsetzungs- oder Fluchtgefahr sah, hat sie ihn laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft gleichentags wieder freigelassen.
Dann ein wenig mit der Angst der Menschen spielen: Zu früheren Vorkommnissen äussern sich Eltern von Schülerinnen und Schülern. Anonym allerdings. Sie haben Angst, dass der Lehrer sie wieder bedroht, oder dass ihre Kinder Probleme bekommen. ... Auf diese Weise wird niemand herausfinden, dass Frau M. eigentlich gar keine Mutter ist, sondern eine vom Erziehungsdepartement bezahlte Kommunikationsberaterin ... Als Journalistin muss ich schliesslich meine Quellen nicht preisgeben ...
Dann noch ein wenig die Arbeit des Lehrerleins anschwärzen. Dazu eignen sich seine Musicals besonders gut, besonders seine Fernsehparodie. Einfach die parodistischen Elemente ignorieren und schon machen wir aus dem Lehrerlein einen übergriffigen Sexisten.
 
Dann noch einen Vorfall aus einer Klassenstunde ein wenig verdrehen und schon ist das Lehrerlein erledigt: Auch Herr und Frau B. haben sich an diesem Musical gestört. Und an einem vorhergehenden „schlüpfrigen“ Musical, in dem Mädchen im Bikini auftreten mussten. Und daran, dass der Lehrer Mädchen gefragt habe, ob sie die Menstruation schon hätten.
 
(Licht aus)
 
Als das tapfere Lehrerlein den vollständigen Artikel im städtischen Monopolblatt zu lesen bekam, ärgerte es sich grün und gelb. Zahlreiche Halbwahrheiten und falsche Tatsachenbehauptungen wurden mit geschickten Verdrehungen unter Auslassung des jeweiligen Kontextes aneinandergehängt. Die Episode zum Thema „Menstruation“ hatte sich in Wirklichkeit völlig anders abgespielt. Das Lehrerlein wurde in Wirklichkeit während einer Klassenstunde zum Thema „Pubertät“ von einem Mädchen gefragt, ob es ihn denn nicht interessieren würde, wer von den Mädchen denn schon die Menstruation habe. Darauf antwortete das Lehrerlein, in seiner Naivität, dass es aus soziologischen und psychologischen Aspekten zwar interessant sei, es als Lehrkraft aber absolut kein Interesse habe, an solchen Informationen habe. Das Lehrerlein wurde schon einmal in einem Boulevardblatt durch den Kakao gezogen, daraufhin erhielt der zuständige Chefredaktor allerdings eine Rüge vom Presserat.
Was hatte die Journalistin, der Ressort Leiter Schulen und der Mediensprecher der Staatanwaltschaft gemeinsam? Sie kannten sich alle. Sie verstanden alle drei etwas von Sprachmanipulation. Und es machte ihnen offensichtlich Spass, vorsätzlich die Tatsachen zu verdrehen.
 
(Licht ein)
 
Journalistin: Wir versteh’n was von Kommunikation
Ressortleiter: Wir versteh’n was von Manipulation
Sprecher: Nein, das sehen wir nicht als Korruption!
Alle: Wir nennen das Information!
 
Alle: Das ist die schöne neue Welt
Wir tun das, was uns gefällt
Und wenn einer nicht mitmarschiert
Wird er ganz einfach aussortiert
 
Journalistin: Die Wahrheit gibt’s schon lang nicht mehr!
Ressortleiter: Die Wahrheit interessiert nicht all zu sehr!
Sprecher: Die Wahrheit, wen kümmert die schon!
Alle: Aus allem machen wir Information!
 
Alle: Das ist die schöne neue Welt
Wir tun das, was uns gefällt
Und wenn einer nicht mitmarschiert
Wird er ganz einfach aussortiert
 
Journalistin: Hauptsache es tönt interessant!
Ressortleiter: Die Leser haben’s gerne brisant!
Sprecher: Die Leser haben nie genug davon!
Alle: Von unserer Information!
 

Alle: Das ist die schöne neue Welt
Wir tun das, was und gefällt
Und wenn einer nicht mitmarschiert
Wird er ganz einfach aussortiert
 
(Licht aus)
 
Ein paar Tage nach der Veröffentlichung des Zeitungsartikels wurde das Lehrerlein auf das Rektorat zitiert. Man wolle mit ihm das weitere Vorgehen besprechen. Das Lehrerlein wurde gebeten, seinen Anwalt mitzunehmen. Am Tisch sassen der Ressortleiter, der Personalleiter und die Rektorin.
 
(Licht ein)
 
Rektorin: Also, wir haben Sie hierher gebeten, wegen der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses. Wir möchten Ihnen vorher aber noch die Möglichkeit geben, im gegenseitigen Einvernehmen das Arbeitsverhältnis aufzulösen.
Lehrerlein: Heisst das, ich soll von mir aus kündigen?
Rektorin: Wir haben beide Dokumente vorbereitet, Sie brauchen nur noch zu unterschreiben.
Lehrerlein: Und was ist wenn ich nicht unterschreibe?
Rektorin: Wenn wir Ihnen kündigen, dann müssen Sie nur unterschreiben, dass Sie das Dokument erhalten haben.
Lehrerlein: Sie wissen ganz genau, dass ich an meinem Job hänge, und dass ich niemals von mir aus kündigen werde.
Anwalt: Sie sollten sich das vielleicht noch einmal überlegen ...
Lehrerlein: Das ist eine missbräuchliche Kündigung!
Personalchef: Sie können natürlich innerhalb von 10 Tagen Rekurs dagegen anmelden.
Lehrerlein: Da können Sie aber sicher sein. Wie lange bekomme ich noch den Lohn?
Personalchef: Bis Ende Semester bekommen Sie noch den vollen Lohn.
Lehrerlein: Was? Nur ein halbes Jahr?
Personalchef: Das steht so in Ihrem Vertrag.
Lehrerlein: Das habe ich nicht gewusst.
Rektorin: Der Ressortleiter erläutert Ihnen jetzt die Kündigungsgründe.
Lehrerlein: Da bin ich aber gespannt.
Ressortleiter: Nachdem Sie in der Vergangenheit gegenüber der Schulleitung mehrmals fehlendes Kooperationsverhalten an den Tag gelegt haben, gegenüber Eltern, Schülerinnen und Schülern und Lehrpersonen mehrmals in bedrohlicher und verletzender Art aufgetreten sind, die Weisungen Ihres bzw. Ihrer Vorgesetzten nicht in kooperativer Weise befolgt haben, die Freistellungsverfügung mit der Nichtwahrnehmung des amtsärztlichen Termins erneut unterlaufen haben, die fürsorgerischen Schritte der Schulleitung Ihnen gegenüber nicht als Chance wahrgenommen haben, ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich. Ihr Verhalten stellt für uns eine schwere Verletzung des Vertrauensverhältnisses dar, welche die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Die oben aufgeführten Vorhaltungen sind als schwere Pflichtverletzung zu taxieren. Sie werden daher per sofort von ihrer Tätigkeit als Lehrperson freigestellt.
 
(Licht aus)
 
Das Lehrerlein fühlte sich einmal mehr wie in einem falschen Film. Es wurde von einer ungeheuren Wut gepackt. Allerdings wurde es von seinem Anwalt vor dem Gespräch darauf hingewiesen, unbedingt ruhig zu bleiben und auf keinen Fall die Nerven zu verlieren. Das Lehrerlein hörte auf seinen Anwalt und schluckte seinen Ärger hinunter.
Ein paar Tage später rekurrierte das tapfere Lehrerlein gegen die Verfügung des Rektorates bei der Personalrekurskommission. Die Personalrekurskommission setzte sich aus einem Vertreter des Arbeitgebers, eines Vertreters der Arbeitnehmer und einer Vorsitzenden zusammen. Alle Argumente des tapferen Lehrerleins wurden als irrelevant taxiert, während die Argumente des Erziehungsdepartementes eins zu eins von der Personalrekurskommission übernommen wurden. Mit anderen Worten: die Beweise wurden selektiv gewürdigt und der Rekurs des tapferen Lehrerleins wurde unbürokratisch abgewiesen.
 
(Licht ein)
 
Kommission: Wir sind die Personalrekurskommission
Und entscheiden mit „freier“ Kognition
Das Lehrerlein bekommt keinen Applaus
Das Lehrerlein, fliegt ganz einfach raus
 
Wir drehen Fakten ganz wie’s uns beliebt
Bei uns gibt es nichts, was es nicht gibt
Sogar das Positive wird von uns gedreht
ganz so wie der Zeitgeist gerade weht.
 
Das ist die schöne neue Welt
Wir tun das, was uns gefällt
Und wenn einer nicht mitmarschiert
Wird er von uns schnell aussortiert
 
Wir würdigen sämtliche Beweise
Ganz in uns’rem Sinn auf uns’re Weise
Der Starke, der bekommt immer recht
Dem Schwachen, dem geht’s immer schlecht
 
Recht zu haben, das ist nicht schwer
Recht zu bekommen aber sehr
Relevant ist das, was uns nützt
Und die Staatsverwaltung unterstützt
 
Das ist die schöne neue Welt
Wir tun das, was uns gefällt
Und wenn einer nicht mitmarschiert
Wird er von uns aussortiert
 

Alle: Rekurs abgelehnt!
 
(Licht aus)
 
Einmal mehr war das tapfere Lehrerlein total frustriert. Da es jedoch immer noch an die Unrechtmässigkeit seiner Entlassung glaubte, beschloss es, mit seinem Anwalt gegen den Entscheid der Personalrekurskommission zu rekurrieren. Allerdings musste es zunächst auf die schriftliche Rekursbegründung der Personalrekurskommission warten. Erst nach drei Monaten bekam das Lehrerlein diese zugeschickt. Mit grossem Interesse las es das fast 10 Seiten umfassende Schreiben der Personalrekurskommission. Das Lehrerlein staunte nicht schlecht: Unzählige Tatsachen wurden erneut verdreht wiedergegeben. Behauptungen wurden zu Fakten und Lügen zur Wahrheit. Eines war dem tapferen Lehrerlein sofort klar: Die Personalrekurskommission war garantiert nicht unparteiisch. Nach mehreren Monaten kam es endlich zur Verhandlung am Appellationsgericht.
Als das tapfere Lehrerlein dort mit seinem Anwalt erschien, erlebte es erneut eine unliebsame Überraschung.
 
(Licht ein)
 
Polizist: Polizei, wir haben den Auftrag, sie auf Waffen zu durchsuchen, würden sie bitte mitkommen?
Lehrerlein: Was soll jetzt das? Glauben sie wirklich, dass ...
Polizist: Keine Widerrede, kommen Sie jetzt mit, ich habe meine Befehle!
Lehrerlein: Das glaube ich ja nicht! Hört dieser schlechte Film denn nie auf?
Polizist: Bitte kooperieren Sie jetzt!
Lehrerlein: Herr Anwalt, das ist eine Provokation!
Anwalt: Das habe ich am Appellationsgericht wirklich auch noch nie erlebt.
(Das Lehrerlein lässt sich vom Polizisten durchsuchen.)
Lehrerlein: Glauben Sie wirklich, ich käme mit meiner Militärpistole in den Gerichtssaal?
Polizist: Ich führe nur meinen Auftrag aus.
Lehrerlein: In meiner Mappe habe ich noch ein Etui mit spitzen Bleistiften, bin ich deswegen gefährlich?
(Der Polizist durchsucht die Mappe)
Lehrerlein: Und die Kravatte? Darf ich die anbehalten? Ich könnte mich damit ja aufhängen?
Polizist: Die dürfen Sie anbehalten.
Lehrerlein: Wer sind eigentlich die anderen zwei netten jungen Menschen da draussen?
Polizist: Das sind auch Polizisten.
Lehrerlein: Das glaube ich ja nicht! Und wer bezahlt diesen ganzen Aufwand?
Polizist: Das muss sie ja nicht kümmern.
Lehrerlein: Ist das immer so bei Verhandlungen am Appellationsgericht?
Polizist: Nur wenn wir den Auftrag dazu erhalten.
Lehrerlein: Wer hat Ihnen den Auftrag dazu gegeben?
Polizist: Das müssen Sie die Gerichtspräsidentin fragen.
Lehrerlein: Das glaube ich ja nicht! Hört dieser Albtraum denn nie auf?
 
(Licht aus)
 
Die Verhandlung war für das tapfere Lehrerlein ziemlich unangenehm. Die Gerichtspräsidentin versuchte mit gezielt gestellten Fragen das Lehrerlein in die Ecke zu treiben. Als das Lehrerlein nicht so antwortete, wie es die Gerichtspräsidentin erwartete, wurde es von ihr immer wieder unterbrochen. Rhetorisch geschickt wollte die Gerichtspräsidentin dem Lehrerlein suggerieren, dass es doch vernünftiger gewesen wäre, sich vom Amtsarzt untersuchen zu lassen. Das Lehrerlein war aber andere Meinung und schilderte ziemlich klar, warum es sich dem Risiko einer zwangsweisen Psychiatrisierung, nicht aussetzen wollte. Mit der Zeit wurde das Lehrerlein ungeduldig.
 
(Licht ein)
 
Lehrerlein: Ich habe hier wirklich das Gefühl ich spreche gegen Windmühlen! Ist meine Abmeldung vom Arzttermin jetzt eine schwere Pflichtverletzung oder nicht!
Präsidentin: Genau das ist die Frage. Und das wollen wir jetzt herausfinden. Die Rechtsvertreterin des ED hat das Wort:
 
Rechtsvertr.:  Hohes Gericht, sehr geehrte Frau Gerichtspräsidentin.
Der Rekurrent macht mit Verweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts geltend, dass die Absage eines Termins bei den Gesundheitsdiensten gemäss Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtes keine schwere Pflichtverletzung im Sinne von § 30 lit. d des Personalgesetzes darstelle. Dem kann in dieser allgemeinen Form nicht beigepflichtet werden. Vielmehr gilt es zur Beantwortung dieser Frage jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalles zu beachten. Dabei fällt zunächst auf, dass vorliegend der Gesundheitszustand des Rekurrenten aufgrund seiner Tätigkeit als Lehrperson als besonders wichtig erscheint. Bereits aus diesen Gründen kann der Rekurrent aus dem zitierten Verwaltungsgerichtsurteil somit nichts zu seinen Gunsten ableiten. Der Rekurrent macht geltend, dass die Vorladung zur vertrauensärztlichen Untersuchung, welche bekanntlich einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstelle, in Verfügungsform hätte ergehen müssen. Dies wird bestritten. Es ist viel mehr davon auszugehen, dass es sich bei der Aufforderung zur vertrauensärztlichen Untersuchung um eine Handlungsanweisung der vorgesetzten Person an eine ihr unterstellte Person handelt, die sich aus dem allgemeinen Weisungsrecht des Arbeitgebers ergibt. Aufgrund der Arbeits- und Treuepflicht des Mitarbeiters hat ihr der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin Folge zu leisten. Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen beantragt das Erziehungsdepartement den Rekurs vollumfänglich abzuweisen.
 
Präsidentin: Vielen Dank der Rechtsvertreterin des Erziehungsdepartements.
Herr Anwalt des Rekurrenten, darf ich bitten!
 
Anwalt: Hohes Gericht, sehr geehrte Frau Gerichtspräsidentin
Der Rekurrent hat wirklich über eine sehr lange Zeit klaglos gute Arbeit geleistet. Die Querelen, um welche es in casu geht, entzündeten sich an zwei, drei Personen, die gegen den Rekurrenten agierten. Der Rekurrent fühlte sich vom Kollegium, der Schulhausleitung und der Schulleitung im Stiche gelassen. Die Schule und die Lehrer bestimmen doch über den Schulstoff und die Art, wie er vermittelt wird nicht Aussenstehende. Das war und ist seine Meinung. Der Rekurrent fühlte sich gemobbt. Der Rekurrent wurde über längere Zeit von einigen wenigen Müttern von Schülern provoziert, fand zunehmend wenig Rückhalt im Kollegium, wurde ausgegrenzt, isoliert. Dass sein Verhalten, gerade bei den provozierenden Personen, zu Beanstandungen führte, erscheint verständlich. Der Rekurrent hätte gerne Unterstützung beim Kollegium gehabt, auch seitens des Supervisors. Er hätte es begrüsst, wenn Zielvorstellungen für das Team hätten erarbeitet werden können. Dies wurde vom Supervisor abgelehnt. Der Rekurrent gewann den Eindruck, dass niemandem an wirklicher Konfliktbewältigung gelegen war. Zutreffend, dass die Anstellungsbehörde eine vertrauensärztliche Untersuchung verlangen kann. Der Rekurrent wurde zum Vertrauensarzt eingeladen, nicht vorgeladen. Es handelte sich um einen Termin. Es gab entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht mehrere Termine. Der Wortlaut des Schreibens ist nicht imperativ aufgefasst und so verstand ihn der Rekurrent auch nicht. Ich kann der Argumentation der Rekursgegnerin nichts abgewinnen, wenn sie ausführen lässt, es handle sich bei der Vertrauensärztlichen Untersuchung lediglich um eine schlichte Handlungsanweisung des Arbeitgebers. § 21 des Personalgesetzes spricht davon, der Arbeitnehmer könne „verpflichtet werden“, sich einer Vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Richtigerweise hat der Gesetzgeber für die Vertrauensärztliche Untersuchung die Gesetzesform vorgesehen. Die Pflicht zur Vertrauensärztlichen Untersuchung ergibt sich eben gerade nicht aus der Arbeits- und Treuepflicht des Mitarbeiters, wie die Rekursgegnerin in ihrer Rekursantwort glauben machen möchte. Es geht doch darum, dem Betroffenen den „Ernst der Lage“ vor Augen zu führen. Eine „Empfehlung“ oder „Einladung“ erfüllen dieses Erfordernis meines Erachtens in keiner Weise. Nach dem Gesagten kann eine einfache Handlungsanweisung der Anstellungsbehörde eben nicht genügen, schon gar nicht eine Empfehlung oder eine Einladung des Amtsarztes. Der Rekurs ist demnach im Sinne der gestellten Anträge gutzuheissen.
 
Präsidentin: Vielen Dank dem Rechtsvertreter des Rekurrenten. Das Gericht zieht sich jetzt für eine halbe Stunde zur Beratung zurück.
 
(Licht aus)
 
Das tapfere Lehrerlein konnte es kaum glauben. Weder seine Mobbing-Erlebnisse noch sein tadelloses Psychiatrisches Gutachten wurden von der Gerichtspräsidentin thematisiert. Enttäuscht, begab es sich mit seinem Anwalt in die Kaffeepause.
Nach einer Stunde erschienen die beiden wieder im Gerichtsgebäude. Sofort wurde das Lehrerlein von den übereifrigen Polizisten erneut nach Waffen untersucht. Auch beim zweiten Mal fühlte sich das Lehrerlein enorm provoziert. Schliesslich beruhigte es sich mit dem Gedanken, dass die drei Schildbürger-Polizisten ja nur ihre Schildbürgerpflichten in einem Schildbürger-Staat ausführten.
 
(Licht ein)
 

Präsidentin: Wir kommen nun zum Urteil in Sachen Kündigung des Erziehungsdepartements gegen den Rekurrenten. Das Urteil lautet wie folgt:
Der Rekurs gegen den Entscheid der Rekurskommission wird gutgeheissen.
 
(Licht aus)
 
Das tapfere Lehrerlein kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Kündigung war also doch rechtswidrig und musste demzufolge aufgehoben werden. Das tapfere Lehrerlein war so überglücklich, dass es überhaupt nicht mehr mitbekam, was die Gerichtspräsidentin sonst noch zu sagen hatte. Vor seinen Augen erschienen plötzlich die zahlreichen Kinder, die bei ihm früher zur Schule gegangen waren. Ihre Augen leuchteten und sie waren glücklich ihren Lehrer wieder zu sehen. Voller Freude stimmten sie ein Lied an, das sie einmal bei ihm gelernt hatten.
 
(Licht ein)
 
Alle:                  If I had a hammer, I’d hammer in the morning
I’d hammer in the evening, all over this land.
I’d hammer out danger, I’d hammer out a warning,
I’d hammer out love between my brothers and my sisters
All – all over this land.
If I had a bell, I’d ring it in the morning
I’d ring it in the evening, all over this land.
I’d ring out danger, I’d ring out a warning,
I’d ring out love between my brothers and my sisters,
All – all over this land.
If I had a song, I’d sing it in the morning,
I’d sing it in the evening, all over this land.
I’d sing it out danger, I’d sing it out a warning,
I’d sing it out love between my brothers and my sisters,
All – all over this land.
If I had a hammer, and I had e bell,
And I got a song to sing, all over this land.
It’s the hammer of justice, it’s the bell of freedom,
It’s a song about love between my brothers and my sisters,
All – all over this land.
 
(Licht aus)
 
Das, liebe Kinder, war das Märchen vom tapferen Lehrerlein. Und wenn es nicht gestorben ist, dann kämpft es noch heute für Gerechtigkeit und Fairness.

*** ENDE ***

1 Kommentar:

A. Jost hat gesagt…

Hallo tapferes Lehrerlein,
wieso nicht einmal dieses Grusel "Märchen" auf dem Bundesplatz aufführen?
Ich wäre dabei zu helfen. Wer noch?